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Beitrag vom 28.09.2006
Swinger Club
Tatjana Zilg
Beziehungen, Fremdgehen, Hochzeiten. Viele Themen schweben zunächst unausgesprochen zwischen fünf FreundInnen, die sich zum Festessen auf dem Land treffen. Eine Frage lässt die Konflikte eskalieren.
Albert (Stephan Schad) und Birgit (Susanne Wolff) laden zur Feier ihres fünften Hochzeittages drei ihrer vermeintlich besten Freunde in ihr großes, schickes Haus ein, das weitab von der Stadt in einem kleinen Dorf auf dem Land liegt. Alle fühlen sich einem bestimmten Milieu zugehörig - irgendwo angesiedelt zwischen halbwegs erfolgreichem/r KünstlerIn, AkademikerIn und Workaholic-Medienmenschen. Selbstbewusst distanzieren sie sich vom Verhalten einiger Swingerclub-BesucherInnen, die sie fern von ihren Kreisen sehen und die sie belächeln.
Doch dann wirft Albert die Frage auf, ob man in einer festen Beziehung verpflichtet ist, einen Seitensprung dem/der PartnerIn zu beichten. Eine heftige Diskussion entflammt, alte Wunden werden aufgerissen und langsam enthüllt sich, dass innerhalb des Freundeskreises nicht selten geswingt wurde.
Die Feier löst sich in Streit auf. Eineinhalb Jahre später trifft man sich zu einer Hochzeit wieder. Und erneut wird die Decke der Verhüllung von den scheinheiligen, schönen Menschen gerissen. Dagmar (Anne Weber) hat dem Russen Vadim (Jurij Schrader) nur das Ja-Wort gegeben, weil er der Liebhaber ihres Ex-Partners Eddie (Ole Schlosshauer) ist, mit dem sie offensichtlich noch zusammenwohnt.
Eigentlich wollten die FreundInnen diesen besonderen Tag wieder im Haus von Albert und Birgit feiern. Nun werden sie ZeugInnen, wie sehr Birgit, die ein Baby verloren hat, sich durch die Erkenntnisse der vergangenen Treffen verändert hat. Natürlich führt dies wieder zu endlosen Elaborationen über die Unverlässlichkeit der Liebe und das menschliche Unglück.
Bei den ausführlichen Dialogen, den überspitzen Pointen, den unvermuteten Monologen, der wackligen Kamera und den vielen Nahaufnahmen in langer Einstellung ist schnell klar, dass es sich bei „Swinger Club“nur um einen Improvisationsfilm handeln kann: Allen sieben SchauspielerInnen war lediglich die Grundsituation bekannt, dazu gab es für jeden einzelnen eine individuelle Background-Story und bestimmte Zielvorgaben. Dialoge und Handlung waren völlig offen. Die AkteurInnen hatten zwei Nachmittage Zeit, das Spiel zu entwickeln, das von drei Kameras und etlichen Mikrofonen eingefangen wurde. Es wurde nicht unterbrochen, nichts wiederholt, aber einiges geschnitten.
Der Theater- und Filmschauspieler Jan Georg Schütte hatte nach 15 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera das Bedürfnis, zu zeigen, dass er bessere Drehbücher schreiben kann als viele derer, die ihn Tag für Tag zum Lesen gegeben wurden. Doch er stellte fest, dass ihm seine eigenen Dialoge nicht so richtig gelingen wollten. Er skizzierte eine Filmidee auf einer halben DIN A5 Seite, wobei es ihm vor allem um die Beziehungsqualitäten ging. Als ihn einige KollegInnen spontan eine Mitarbeit zusagten, war der Weg frei für einen Film ohne Drehbuch der herkömmlichen Art.
AVIVA-Tipp: Der Film kommt nicht an die Authentizität und Präsenz von den Improvisationsfilmen heran, die in letzter Zeit auf den deutschen Leinwänden zu sehen waren. Weder hat er die detailreiche Sensibilität von „Komm näher“ noch den Witz und das Tempo von „Sábado - Das Hochzeitstape“. Die Charaktere kreisen sich sehr um den eigenen Narzissmus und lassen viel zu wenig emotionale Berührungsmomente entstehen.
Swinger Club
Deutschland, 2005, 92 Minuten
Regie: Jan Georg Schütte
Drehbuch: Jan Georg Schütte
SchauspielerInnen: Stephan Schad, Susanne Wolff, Oliver Sauer, Anne Weber, Ole Schlosshauer, Juri Schrader, Marie Bäumer, Bettina Feddersen, Julie Marie Engelhorn
Verleih: Ventura Film
Kinostart: 28.09.2006
www.swingerclub-film.de